Ein spannendes Thema in der modernen Fertigung ist nach wie vor die Wahl der richtigen Prozesskühlung. Das in der Zerspanung oft hohe Temperaturen entstehen ist nichts Neues. Auch das diese enormen Temperaturen durch den Einsatz von Kühlschmiermittel reduziert werden können ist kein Geheimnis mehr!
Die Minimierung von mechanischer Reibung zwischen Werkzeug und Material durch den Einsatz von Schmierstoffen schützt das Werkzeug vor Verschleiß. Dieser Schutz verlängert die Lebensdauer eines Werkzeuges erheblich. Klingt toll? Ist es auch! Denn machen wir uns nichts vor, Werkzeuge sind teuer und viel zu oft nach kurzer Einsatzzeit Schrott!
Die Qual der Wahl: „Der Klassiker“ und „der Gamechanger“ im Vergleich
Wer sich schon mal mit dem Thema Prozessschmierung befasst hat, wird schnell auf Wörter wie „Überflutungsschmierung“ oder „Minimalmengenschmierung“ gestoßen sein. Was hinter diesen Wörtern steht, erklären wir DIR jetzt!
Die Überflutungsschmierung (KSS)
Lange Zeit war die Überflutungsschmierung der Goldstandard wenn es um die Prozesskühlung ging. Frei nach dem Motto: „Mehr ist mehr“ wird sich durch den Einsatz von großen Mengen Kühlschmierstoffen die bestmögliche Kühlung versprochen. Den konventionellen Einsatz von Kühlschmierstoffen nennt man auch Überflutungsschmierung, Schwallkühlung oder KSS.
Funktion
Das Werkstück oder die Bearbeitungsstelle wird drucklos meist großflächig mit einem hohen Volumen an Schmierstoffen überflutet. In der Praxis erfordert dies ein spezielles KSS-Umlaufsystem, welches den überschüssigen Schmierstoff auffängt. Im Anschluss wird der Schmierstoff wiederaufbereitet und mithilfe von Pumpen zurück an die Ausgangsstelle am Werkstück befördert.
Reinigung
Der Einsatz von KSS hinterlässt zwangsläufig Reste und Rückstände auf Werkstück, Werkzeug und Maschine. Diese müssen meist mit chemischen Reinigungsmitteln vor dem weiteren Bearbeitungsprozess entfernt werden. Das braucht natürlich alles seine Zeit und die Maschine steht so lange. Neben dem Aspekt, das Putzen selten Spaß macht, verursacht die Reinigung auch enorme Kosten, durch Beschaffung, Lagerung und Entsorgung der verwendeten Reinigungsmittel. Auch der Gesundheitsaspekt, welcher der Einsatz von chemischem Reinigungs- und Lösungsmitteln aufwirft, ist problematisch.
Vorteile
Ein KSS-System funktioniert! Es kühlt den Prozess und schützt das eingesetzte Werkzeug so vor Verschleiß. Auch lassen sich höhere Bearbeitungsparameter wie bei der Trockenbearbeitung erzielen.
Nachteile
Bei einer genaueren Kosten-Nutzen-Analyse fallen jedoch die enormen Kosten, auf welche die Überflutungsschmierung verursacht. Angefangen bei dem hohen Bedarf an teuren Schmierstoffen (welcher durch Lücken im System sowie Verdampfungen und Verschleppungen ständig nachgefüllt werden muss), über den hohen Energie- und Platzbedarf für Pumpen und Filtersystem, bis hin zu den Massen an Schmierstoffen im Lager.
Umweltbilanz
Die Umweltbilanz der konservativen Nassbearbeitung ist eine Katastrophe! Wäre die KSS-Anlage ein Auto, dürfte sie schon lang nicht mehr nach Stuttgart fahren! Trotz stromfressender Filter- und Umlaufpumpen werden massenhaft Schmierstoff und Energie verschwendet. Die umweltschädlichen Altemulsionen und entstandenen Späne müssen fachgerecht entsorgt werden. Die Anlieferungen von großen Mengen Emulsionen, sowie der Abtransport der Altemulsionen erzeugt ganz schön viel Co2 und Feinstaub.
Fazit
Überflutungsschmierung ist wie ein Auto mit einem Loch im Tank: sie erfüllt ihren Zweck, nur sehr sparsam fährt man mit ihr nicht!
Die Minimalmengenschmierung (MMS)
Das Pendant der Überflutungsschmierung ist die Minimalmengenschmierung. Hier gilt das Motto: „Weniger ist mehr“. Durch eine enorm reduzierte, dafür aber gezielte und punktgenau aufgetragene Menge Kühlschmiermittel wird sich die bestmögliche Kühlung zum geringsten Preis versprochen.
Funktion
Die Minimalmengenschmierung funktioniert nach dem ökonomischen Minimalprinzip: Mit minimalem Einsatz den maximalen Ertrag erreichen. Der punktgenaue Einsatz von geringsten Mengen Kühlschmierstoffen wird Minimalmengenschmierung, MMS oder MMKS gennant.
Mithilfe von Druckluft welches in ein Dosiersystem eingespeist wird, entsteht durch aufeinandertreffen von Luft und Kühlschmierstoff Nebel (Aerosol). Dieser Nebel, welcher oft unter 50 ml/h Schmierstoff enthält, wird durch ein Ausgabegerät z. B. einen Sprühkopf präzise genau auf die Wirkstelle zwischen Werkzeugschneide und Werkstück aufgetragen.
Die Einsatzbereiche von MMS sind zahlreich: Bohren, Drehen, Fräsen, Stanzen, Umformen, Gravieren, um nur ein paar der nahezu grenzenlosen Anzahl an Prozesse zu nennen.
Im Gegensatz zur Überflutungsschmierung wird kein Umlaufsystem benötigt, da das Aerosol verdampft und nicht aufgefangen werden muss. Werden jedoch größere Mengen Schmierstoff als Aerosol versprüht, sollte über eine entsprechende Absauganlage sowie Frischluftzufuhr nachgedacht werden. In den meisten Fällen wird eine solche Absauganlage, jedoch nicht benötigt!
Reinigung
Durch den geringen Einsatz von Kühlschmierstoff bleiben Werkstücke und Maschine sauber und die entstandenen Späne nahezu trocken. Dieser Effekt kann durch die Wahl eines verdunstenden Schmiermittels verstärkt werden. So entfällt die lästige und zeitintensive Reinigung des Werkstückes und der Maschine mit giftigen Chemikalien.
Vorteile
Bei optimierten Prozessen sind höhere Standzeiten zu erwarten und in Einzelfällen lässt sich bei optimalen Prozessen sogar die Prozessdauer um bis zu 30 % reduzieren. Eine enorme Kostenersparnis durch geringe Mengen Kühlschmierstoff, sowie günstigere Lager und Transportkosten, da weniger Gebinde benötigt werden. Keine Kosten für Pumpen, Filter- und Recyclingsysteme und deren Betrieb.
Keine Wartezeiten, da die Maschinenreinigung und das Waschen/ Trocknen der Werkstücke entfällt. Auch die unterschätzten Kosten für die Entsorgung des Kühlschmierstoffs werden stark reduziert bzw. fallen weg. Versteckte Kosten für Reinigungsmittel entfallen ebenfalls und die Arbeitssicherheit wird aufgrund einer trockenen Arbeitsumgebung drastisch erhöht.
Die fortlaufenden variablen Kosten einer MMS Anlage entstehen durch Flüssigkeit und Druckluft.
Nachteile
Bis auf den Kosten- und Planungsaufwand sehen wir keine Nachteile. Wobei die Entstandenen fixen Kosten durch die niedrigen variablen Kosten schnell wieder eingespart werden.
Umweltbilanz
Grün. Grüner. MMS. Neben dem ressourcensparenden Einsatz von Kühlschmierstoffen (welche oft auch aus Trinkwasser entstehen) und den dadurch reduzierten Emissionswerten für den Transport ist der geringe Energieverbrauch einer MMS-Anlage ein weiterer Bonus für die Umwelt. Auch das Späne erneut verwendet werden können und nicht entsorg werden müssen kommt der Umwelt zu Gute. Genau wie der Entfall und die Entsorgung von alt Emulsionen.
Fazit
Bei der Planung eines MMS-Systems sollten Sie sich gut und fachkundig beraten lassen. Nur durch eine harmonische Abstimmung von Schmierstoff & Dosiersystem und Ausgabegerät/Werkzeug kann ein optimales prozesssicheres Ergebnis mit maximalesn Ersparnisen erreicht werden.
So können Werkzeugstandzeiten um bis zu 50 % erhöht werden. Strom, Flüssigkeits- und Reinigungskosten sind Schnee von gestern. Auch ihre Fertigungshalle wird in neuem Glanz erstrahlen, denn ein MMS-System schafft eine saubere Arbeitsumgebung (Halle, Boden) und erhöht die Luftreinheit (keine verdampfenden Wasser, Ölnebel).
Die Minimalmengenschmierung ist eine sinnvolle und smarte Weiterentwicklung der Überflutungsschmierung. Die Fixkosten für Planung- und Anschaffung können auf den ersten Blick hoch erscheinen, werden sich aber auf längere Sicht durch geringere variable Kosten bezahlt machen.
Würden Sie eine Badewanne voll Wasser einlaufen lassen, um ein Streichholz zu löschen? Wahrscheinlich nicht, oder? Leider verhält sich die ressourcen-verschwendung beim Einsatz von Überflutungsschmierung ähnlich.